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Freies Wort 12.01.2010

Klagen gegen Mieterhöhung

Von "unternehmerischer Verantwortung" und "fehlendem sozialen Gedanken"
Von Heike Hüchtemann

Suhl
- Es rumort wieder oder immer noch unter Mietern der AWG Wohnungsbaugenossenschaft "Rennsteig". Zum einen sind es die aktuellen Mieterhöhungen, die so manchem Genossenschafter Zornesfalten auf die Stirn treiben. Zum anderen ist es der Umgang mit ihnen. Und auch, dass sie sich ausgeschlossen sehen, wenn es um Mitsprache geht. "Wo ist da noch der Genossenschaftsgedanke?", war zur kürzlich vom Mieterverein einberufenen Mieterversammlung in der Paul-Greifzu-Schule immer wieder zu vernehmen. Was unter den etwa 200 Frauen und Männer zu spüren war, ist vor allem Frust. Auch darüber, "wie man mit uns umgeht, wie man uns abkanzelt" und darüber, "dass der soziale Gedanke offensichtlich nichts mehr gilt". Sicher müsse auch die AWG wirtschaftlich arbeiten, aber wenn es um 15 oder 20 Euro Mieterhöhung geht, dann könne das für manchen an die Grenze gehen. Oder Uneinsichtigkeit schüren, vor allem wenn Mängel in der Wohnung zu beklagen sind, für die mehr gezahlt werden soll.

In den nächsten Wochen soll es weitere Versammlungen in den anderen Stadtgebieten geben. Dies vor dem Hintergrund, über das Prozedere der Mieterhöhungen zu informieren, um dann eine Unterschriftenaktion starten zu können, mit der eine laut Satzung mögliche Mitgliederversammlung eingefordert werden soll, auf der die Genossenschafter ihre Position klar machen. Vertrauen in die Vertreterversammlung scheint unter einem Teil der etwa 6000 Mieter bei der AWG Fehlanzeige zu sein.

Entscheidungen vor Gericht
Der jüngsten Mieterversammlung vorausgegangen sind Verfahren vor dem Suhler Amtsgericht des vergangenen Jahres, bei denen die AWG die Zustimmung zur Mieterhöhung, die ihr von Mietern verweigert wurde, einklagte. "Ein wichtiges Urteil hat das Amtsgericht am 18. November verkündet. Ein Mieter hat Recht bekommen, der Mieterhöhung nicht im geforderten Umfang zustimmen zu müssen", so Georg Seidler vom Mieterverein Suhl und Umgebung. "Der Vermieter hat die Klage auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung im Umfang von 73 Prozent verloren." Damit sei klargestellt, "dass nicht die Wohnwertmiete der AWG, sondern der Mietspiegel Maßstab der Miethöhe auch für die AWG-Wohnungen ist". Und so sähen sich etliche Mieter nun darin gestärkt, in ihren Verhandlungen mit der AWG eine angemessene und nicht eine erhöhte Miete zu vereinbaren, sagt Georg Seidler.

Im konkreten, vom Mieterverein angeführten Fall habe die Genossenschaft nach fast zehn Jahren unveränderter Miete die Zustimmung zu deren Erhöhung um zwölf Prozent (59 Cent pro Quadratmeter) verlangt. Das Gericht habe dieser Forderung zu 69 Prozent entsprochen, lediglich 17 Cent der verlangten Erhöhung seien durch das für die betroffene Wohnung erstellte Gutachten nicht untersetzt gewesen, entgegnet AWG-Vorstand Frank Brösicke. Und was den Hinweis auf den Mietspiegel betrifft: "Seit 2007 existiert in der Stadt Suhl kein gültiger Mietspiegel und damit keine Übersicht über die in der Stadt gezahlten ortsüblichen Mieten. Jeder Vermieter kann und muss sich deshalb auf die Begründungsmittel stützen, die ihm zur Verfügung stehen, im Regelfall Vergleichswohnungen des eigenen Bestandes oder von Vermietern, die ihm Daten hierzu überlassen."

Zu den Mieterhöhungen sagt der Vorstand, dass es auch in einer Genossenschaft unternehmerische Verantwortung sei, Verluste im Kerngeschäft abzuwenden und damit die wirtschaftlichen Grundlagen für Instandhaltungen, Investitionen und die Bedienung von Krediten zu sichern. Wohin fehlende Wirtschaftlichkeit führt, könne man am Beispiel eines anderen großen Wohnungsunternehmens in der Stadt sehen. Mit den Mietsteigerungen aus 2008/2009 rechnet Frank Brösicke mit einer deutlich verbesserten Einnahmesituation der Genossenschaft. "Damit können wir 2010 zum ersten Mal in der über 100-jährigen Geschichte der AWG ein positives Ergebnis in unserem Kerngeschäft, der Hausbewirtschaftung, erreichen." Dieses konsequente, auf den dauerhaften Erhalt der Genossenschaft gerichtete Handeln finde längst nicht nur Kritiker, sondern auch viele positive Reaktionen, welche den Vorstand in seinem Tun bestärken.

Im Übrigen verweist er darauf, dass von den 2347 Mietparteien, die zum 1. Juli 2008 einen Bescheid über die Mieterhöhung bekamen, 2311 zugestimmt hätten. 25 Klagen hätten sich für die AWG aus der Verweigerung der Zustimmung entwickelt, von denen noch neun offen, zwei abgewiesen und zwölf zugunsten der AWG entschieden worden seien. In zwei Fällen habe es einen Teilerfolg gegeben. Mit der zweiten Stufe der Mieterhöhung zum 1. Dezember 2009 sind 1196 Bescheide verschickt worden. 1149 Mal gab es Zustimmung und 47 Mal ist diese bislang noch nicht erteilt worden. Damit haben über 96 Prozent der Betroffenen zugestimmt. Bis 2011 werde es keine weiteren Bescheide zur Mieterhöhung geben, versichert Brösicke. Dies gelte aber nur für diejenigen, die der derzeitigen Erhöhung zustimmen.

Ob die ungeklärten Fälle nun alle vor Gericht enden, bleibt abzuwarten. Eigentlich will das niemand. "Das sei auch der Grund, warum so viele Mieter der Erhöhung zugestimmt haben - der Druck, der auf sie mit der Drohung von Klagen vor Gericht aufgemacht wird, ist groß", erfährt Georg Seidler bei seinen Beratungen immer wieder. Zu der Angst vor Gerichtsverhandlungen gesellt sich dann auch oft die Angst vor den möglichen Kosten. Was Seidler Druck nennt, sieht Brösicke als Fürsorgepflicht, die Vertragspartner auf die rechtlichen Folgen ihres Handelns aufmerksam zu machen. "Das ist saubere Verwaltertätigkeit."

Reizwort Wohnwertmiete
Um die teuren Auseinandersetzungen künftig zu vermeiden, sollte zur Ermittlung einer korrekten Miethöhe unter Berücksichtigung aller Wohnwertmerkmale eine Schlichtungsstelle eingerichtet werden, schlägt Georg Seidler vor. Dies sei unnötig, meint Frank Brösicke mit Verweis auf die Wohnwertmiete. Mit dieser genossenschaftsinternen Richtlinie sei der Mietspiegel übrigens keinesfalls zu vergleichen. Wohnwertmiete - ein Suhler Beispiel, das in Deutschland einmalig ist und wofür sich auch Vorstände anderer Genossenschaften bundesweit interessieren - auch das ist ein Reizwort. Was aus Sicht der AWG-Spitze für mehr Gerechtigkeit sorgen soll, kommt bei einigen Mietern eher als Ungerechtigkeit an. Auch weil hier beispielsweise Wohnungen mit vielen Außenwänden keinerlei extra Berücksichtigung finden.

Die AWG hätte die Gerichtsverhandlungen abwarten sollen, um daraus Schlussfolgerungen für eine berechtigte Miete zu ziehen, ist Georg Seidler überzeugt. "Oder wenigstens auf den neuen Mietspiegel hätte man doch warten können, ehe der Vermieter Tatsachen in Form von höheren Mieten schafft."

Der Mietspiegel ist wohl in Arbeit. Zwei Sitzungen hat es gegeben, in deren Ergebnis ein Papier vorgelegt wurde, das Frank Brösicke Entsetzen ins Gesicht zeichnet: "Da ist so viel Interpretationsspielraum und damit auch Streitpotenzial enthalten..." Ziel solle ja schließlich sein, eine Befriedung zwischen Mietern und Vermietern zu schaffen. Deshalb sieht er hier noch viel Verhandlungsbedarf. Wann es zu einer Verabschiedung kommt, ist aus seiner Sicht ungewiss.

Nur über Mietspiegel und Gerichte wird auf Dauer ein Einvernehmen zwischen jenem unzufriedenen Teil der Mieter und dem AWG-Vorstand aber wohl kaum zu machen sein.

Quelle: Freies Wort vom 12.01.2010

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